Zu Beginn der Covid-19-Pandemie wurde in der Gesellschaft die Sorge geweckt, dass das Coronavirus durch Bargeld übertragen werden könne. Die WHO reagierte umgehend und relativierte diese Aussage. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Banknoten im Vergleich zu anderen im Einzelhandel häufig berührten Oberflächen, wie z.B. PIN-Pads, ist sehr gering. Dennoch werden gerade in der aktuellen Krise die Rufe nach einer bargeldlosen Gesellschaft lauter. Was viele dabei missachten: die Krise lässt die Nachfrage nach Bargeld sogar steigen und unterstreicht damit den Stellenwert, welchen Bargeld in unserer Gesellschaft nach wie vor besitzt.
Bargeld ist noch immer die wohl vertrauenswürdigste Zahlungsmethode und findet auch aufgrund seiner Benutzerfreundlichkeit eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Bargeld ist flexibel einsetzbar und bietet eine unvergleichliche Datensicherheit, der Verbraucher blind vertrauen. Laut einer Umfrage der EZB, der Deutschen Bundesbank und der niederländischen Bank De Nederlandsche liegen die maßgeblichen Vorteile von Bargeld aus Sicht der Verbraucher bei der Ausgabenkontrolle, der universellen Akzeptanz und der Schnelligkeit der Transaktionen. Dies erklärt die grundsätzlich weitreichende Beliebtheit von Bargeld als Zahlungsmittel und die damit verbundene Nachfrage nach Bargeld.
Nach dem Ausbruch der Pandemie stieg der Wert der an Privatpersonen und Unternehmen verteilten Euro-Banknoten im März und April 2020 um 41,2 Milliarden Euro auf 1,33 Billionen. Laut EZB könnte diese Dynamik auf die Gewohnheit zurückzuführen sein, Bargeld als Sicherheitsmaßnahme zu horten, um die Liquidität für einen „schlechten Tag“ in der Zukunft sicherzustellen.
Obwohl sich die aktuelle Krise deutlich von der Finanzkrise von 2008 unterscheidet, ist die gesellschaftliche Reaktion aus der Sicht des Bargeldes auffallend ähnlich: Kurz nach dem Konkurs von Lehman Brothers stieg das sich im Umlauf befindende Bargeldvolumen in der Eurozone in vier Wochen bis zum 24. Oktober 2008 um 41,4 Milliarden Euro.
Das sich im Umlauf befindende Bargeldvolumen steigt, die Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel jedoch sinkt signifikant. Während der Online-Handel boomt, büßt der stationäre Einzelhandel und somit auch das Bargeld als Zahlungsmittel ein. Verstärkt wird dieser Effekt zudem durch die im Einzelhandel weitreichend verbreitete Empfehlung an Kunden, möglichst kontaktlos zu bezahlen. Warum verschwindet Bargeld also nicht vollkommen von der Bildfläche? Neben dem Wegfall der oben genannten Vorteile von Bargeld als Zahlungsmittel ist ein weiterer Aspekt zu beachten: die Senkung des Bargeldvolumens birgt vor allem für untere Einkommensschichten Gefahren. Folgt man der These, dass die Arbeitslosenzahl in Krisenzeiten steigt, während das durchschnittliche Haushalteinkommen sinkt, ist kurz- und mittelfristig mit einer Zunahme des Bargeldbedarfs, insbesondere in der unteren Einkommensschicht, zu rechnen.
Diese Bargeld-Präferenz basiert auf der Notwendigkeit der Kostenkontrolle, wirkt sich langfristig auf die Kunden-entscheidungen aus und kann zu einer Verschiebung der Verbraucherpräferenz führen. Dieser Zunahme des Bargeldbedarfs muss früher oder später Folge geleistet werden.
Politik und Wirtschaft müssen sich künftig im Zuge des veränderten Verbraucherverhaltens rund um Bargeld u.a. folgende Fragen stellen:
Bei letzterer Frage geht es sicherlich vor allem darum, die Banken im Thema Bargeldversorgung zu entlasten und eine faire Zahlungsinfrastruktur für bargeldaffine Bevölkerungsschichten zu ermöglichen. Konkrete Ansätze hierzu finden bereits Anwendung. Beispielsweise fungieren heutzutage zunehmend mehr Filialen des Einzelhandels als Bankautomaten, indem Verbraucher Ein- und Auszahlungen (meist ohne Mindesteinkaufswert) an der Kasse tätigen können.
Auch Versicherungen, öffentliche Verwaltungen oder Online-Händler greifen bereits auf diese Vorgehensweise und Technologie zurück und bieten Verbrauchern somit eine Bargeld-Alternative zur klassischen Überweisung, Lastschrift oder anderen Zahlungsmethoden an.
Die derzeitige Pandemie hat in unserer Gesellschaft viele Problemstellungen aufgeworfen. Der Umgang mit Bargeld ist selbstverständlich nur eines davon. Um einer künftigen Bargeldversorgung flächendeckend und langfristig gerecht zu werden, liegt die Lösung nicht, wie von vielen vermutet, in der Abschaffung von Bargeld, sondern vielmehr in der zunehmenden Digitalisierung von Bargeld, um den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Erste Lösungen, um eine kostengünstige und effiziente Bargeldversorgung zu bewerkstelligen, existieren bereits.
Die Quellen und ausführlichere Einblicke zur Nutzung von Bargeld im Allgemeinen, sowie während und nach Krisen bietet das von Flavio De Laurentis und Pedro Borges geschriebene Whitepaper „Cash & Crisis“. Dieses steht hier zum kostenfreien Download bereit.